Der Verkauf von Monsanto verriet das Ende der evolutionären Sackgasse

Eine der größten je dagewesenen Transaktionen der globalen Geldwirtschaft hat Hintergründe, die tief in die Strukturen der belebten Natur reichen: Beim Verkauf des US-Konzerns Monsanto spielten offenbar Erkenntisse in der Führungsebene dahingehend eine Rolle, dass eine immer weiter intensivierte Perversion kein Zukunftsgeschäft sein kann. Somit werden hier auf eine ungewöhnliche Weise grundlegende natürliche Ordnungen ersichtlich. Und es ist eine weitere Gelegenheit entstanden, zu erkennen, dass die Menschheit mit sehr hoher Geschwindigkeit auf das Ende einer selbsterzeugten evolutionären Sackgasse zusteuert.

Als die Bayer AG endgültig den US-Konkurrenten Monsanto übernahm, da hätte man mit dem Blick auf bestimmte Prognosen der Welternährungsorganisation FAO zu dem Eindruck gelangen können, dass die Deutschen jetzt einmal die Amerikaner so richtig über den Tisch gezogen haben. Denn wenn das eintritt, was die Fachleute der internationalen Behörde voraussagen, dann wird der globale Bedarf an pflanzlichen Nahrungsmitteln und Futtermitteln bis zum Jahre 2050 um satte 60 Prozent ansteigen, während die Erträge unter anderem durch Bodenerosion und Grundwasserrückgänge stetig sinken. Monsanto ist seit vielen Jahren der Marktführer in weiten Teilen des globalen Handels mit Saatgut sowie agrargentechnischer Anwendungen.

Es steht also ganz zentral eine Frage im Raum: Warum haben die Eigner ein solch scheinbar unschlagbar zukunftsträchtiges Unternehmen nach Europa verkauft? Die vielfach vorgebrachte Antwort, dass das Motiv in anstehenden Schadenersatzzahlungen an Kläger zusammenhänge, die dem Konzern die kausale Verursachung von Krebs etwa durch glyphosathaltige Produkte vorwerfen, greift viel zu kurz. Die nach dem Verkauf ergangenen Urteile gegen die Firma hängen nach Ansicht vieler Beobachter nicht zuletzt mit der Veränderung der Eigentümerschaft zusammen. Und viele US-amerikanische Marktführer von Branchen wie der Tabakindustrie und Limonadenproduktion haben Ähnliches gut überstanden. Manch großer Automobilhersteller steckte es sogar weg, als nachweislich viele Menschen durch eigene technische Fehler schwer verletzt wurden oder ums Leben gekommen waren.

Es muss also einen anderen Grund geben für die Veräußerung des gewaltigen Zukunftsgeschäftes an die Deutschen. Und dieser kann nur in einem ganz bestimmten Sachverhalt liegen: dass es sich bei Intensivlandwirtschaft und Agrargentechnik nämlich gar nicht um ein Zukunftsgeschäft handelt.

Wohl kaum jemand hatte einen direkteren Ausblick auf den relevanten Bereich der Zukunft der Menschheit als die Leute im inneren Wissenskreis des Monsanto-Konzerns. Über Jahrzehnte saßen sie gewissermaßen in der Spitze der Rakete und konnten von dort aus sehen, wo die Reise hingeht. Mit größter Wahrscheinlichkeit haben sie dadurch erkannt, dass in der Flugrichtung eine massive Wand steht. Und dass man unter Verheimlichung dieser Erkenntnis möglichst schnell einen Dummen finden sollte, der die Position übernimmt und dafür auch noch viel Geld zahlt.

Das Naturgesetz der freien Evolution

Zum besseren Verstehen jener Wand, auf die die gesamte Intensivlandwirtschaft mit rasender Geschwindigkeit zustrebt, schaut man am besten einmal zurück auf Veröffentlichungen eines berühmten Naturforschers aus dem 19. Jahrhundert. Es war Charles Darwin, der im Rahmen seines Hauptwerkes „Über die Entstehung der Arten“ etwas sehr Grundsätzliches feststellte: Ohne eine einzige Ausnahme gehen alle bestehenden Spezies des gesamten Planeten auf einen seit dem Beginn des Lebens laufenden, immer gleichen Prozess zurück. In diesem setzten sich von Generation zu Generation stets diejenigen Merkmale durch, die vorrangig dem Bestehen der eigenen Fortpflanzungsgemeinschaft die meisten Vorteile brachten.

Darwin schrieb sogar, dass seine „gesamte Theorie vernichtet“ wäre, wenn in der Natur auch nur ein einziges Beispiel gefunden würde, bei dem irgendein Merkmal einer Spezies zum ausschließlichen Nutzen einer anderen Art entstanden ist. Die Selektion durch den gesamten Umweltdruck zum stetigen eigenen Vorteil nannte er „natural selection“, was in der deutschsprachigen Ausgabe als „natürliche Zuchtwahl“ übersetzt wurde:

„Natürliche Zuchtwahl kann unmöglich irgend eine Abänderung in irgend einer Spezies bewirken, welche nur einer anderen Spezies zum ausschließlichen Vorteile gereichte, obwohl in der ganzen Natur eine Spezies ohne Unterlass von der Organisation einer andern Nutzen und Vorteil zieht. (…) Ließe sich beweisen, daß irgend ein Teil der Organisation einer Spezies zum ausschließlichen Besten einer anderen Spezies gebildet worden sei, so wäre meine Theorie vernichtet, weil eine solche Bildung nicht durch natürliche Zuchtwahl bewirkt werden kann. Obwohl in naturhistorischen Schriften vielerlei Behauptungen in diesem Sinne aufgestellt worden, so kann ich doch keine einzige darunter von einigem Gewichte finden“ (2).

Und überdies betonte der englische Forscher die abgrenzende Besonderheit unserer künstlichen Zuchtwahl:

„Eine der merkwürdigsten Eigentümlichkeiten, die wir an unseren domestizierten Rassen wahrnehmen, ist ihre Anpassung nicht zu Gunsten des eigenen Vorteils der Pflanze oder des Tieres, sondern zu Gunsten des Nutzens und der Liebhaberei des Menschen“ (3).

Darwin hat bis heute Recht behalten, niemand konnte seine Theorie vernichten. Sogar die moderne Parasitologie und die Mikrobiologie mit ihren Millionen Beschreibungen haben in den natürlichen Prozessen niemals ein Beispiel der entsprechenden Manipulation über Generationen hinweg nachweisen können — und zwar noch nicht einmal dort, wo die gegenseitige Manipulation von Erbgut — auf der rein individuellen Ebene — ein Alltagsgeschäft ist und wo die Dinge so komplex sind, dass unsere Landwirtschaft dagegen wie ein kindliches Sandkastenspiel wirkt.

Selbst solche modernen „Erfindungen“ der Gentechnik wie das CRISPR/Cas9-Verfahren sind in der Natur buchstäblich uralte Hüte. Die wirklichen „Erfinder“ waren in diesem Fall Bakterien, welche die „Genschere“ schon vor Hunderten Millionen oder gar Milliarden Jahren evolutionär hervorgebracht haben. Allerdings verwendeten sie diese nur als akute Abwehrwaffe gegen Individuen viraler Angreifer, nicht hingegen zur manipulativen Lenkung der Merkmale von Feinden oder von Nahrungsorganismen über Generationen hinweg.

Häufig wird argumentiert, dass das völlige Fehlen der Manipulation zwischen Erblinien in der gesamten Natur ganz einfach darin begründet sei, dass nur der Mensch die kognitive Fähigkeit zum Hervorbringen einer solchen gezielten Handlung besitzt. Begrenzt auf die Ebene der akut bestehenden Lebensformen scheint dies so auch zuzutreffen. Aber evolutionärgeschichtlich betrachtet ist das Gesamtvolumen der durch die Organismen hervorgebrachten „Ideen“ zur Erlangung von eigenen Vorteilen zweifellos so groß, dass unsere kognitiv hervorgebrachten Ansätze darin verschwindend winzig sind. Und wenn sich in diesem gewaltigen Volumen kein einziges Beispiel der Manipulation von Folgegenerationen findet, dann kann dies nur einen Grund haben: dass es nämlich nicht dauerhaft funktioniert.

Die entsprechende Mechanik ist eigentlich sehr einfach. Der Manipulator spezialisiert und stützt sich ja auf etwas, das er zunehmend schwächt. Wenn die manipulierte Fortpflanzungsgemeinschaft nicht mit jeder Generation zum vorrangigen eigenen Vorteil selektiert wird, sondern nach dem einer anderen Lebensform, dann ist diese relative Schwächung etwa gegenüber Parasiten, Fressfeinden, Wassermangel, Nährstoffmangel, Kälte, Hitze, Wind und sonstigen Faktoren zwangsläufig. Und dazu kommt: Die immer vorhandenen uralten parasitären Feinde der schwächer werdenden Seite werden die Schwächungen ihrerseits zunehmend nutzen und so zum unüberwindbaren Feind des Manipulators mutieren.

Der Kipppunkt, an dem sich die kurzfristigen Vorteile umkehren

Der Manipulator der Erblinie einer anderen Spezies kann — in evolutionären Maßstäben — nur kurzfristig großen Nutzen erzielen, also etwa eine Erhöhung der Nahrungsmenge. Aber er bewegt sich in jedem Fall auf die Wand zu, die erreicht wird, wenn der Aufwand zum Erhalt der geschwächten Seite einen Kipppunkt erreicht, an dem sich die Vorteile in Nachteile umkehren.

Dieser Kipppunkt muss innerhalb der letzten Jahre von der Aussichtsplattform an der Spitze des Monsanto-Konzerns sehr gut sichtbar geworden sein. Genau auf jenen Ackerfeldern, auf denen durch gentechnische Veränderung geschaffene herbizidresistente Maissorten in nie dagewesenen Mengen produziert wurden — weil man den unempfindlichen Mais ja nun so bequem einsprühen konnte —, entstanden plötzlich in ebenso nie dagewesener Geschwindigkeit mehr als zwanzig verschiedene „Superunkräuter“, die gleich gegen eine ganze Bandbreite der Pestizide resistent und ungewöhnlich anpassungsfähig waren.

Man hatte also indirekt denjenigen Varianten innerhalb der Populationen der “Unkräuter” einen Überlebensvorteil verschafft, die gegen solche Gifte am wenigsten empfindlich sind. Deswegen wurden diese Varianten dominierend und nun erhöht sich wieder der Bedarf an den Herbiziden. Insekten wie der amerikanische Heerwurm überwanden derweil innerhalb weniger Jahre die aufwendig kreierten Sorten des sogenannten Bt-Mais, dem man quasi ein Insektizid eingebaut hatte. Und jetzt wurden nicht nur einfach wieder die Insektizide in früherer Dosis notwendig, sondern die neuen Heerwurm-Varianten waren so wandlungsfähig wie nie zuvor. Mittlerweile sind diese Varianten möglicherweise nach Afrika eingeschleppt worden und könnten sich dort nach Voraussagen vieler Experten in allen Subsahara-Staaten zu einer Katastrophe der Landwirtschaft entwickeln.

Die Liste der bekannt gewordenen Rückschläge ist bereits lang — jene von denen nur Monsanto wusste, dürfte aber noch sehr viel länger sein. Aus dem Cockpit der Firma konnte also wohl gar nicht mehr übersehen werden, dass ihr gesamtes Konzept einer Sackgasse entspricht und dass das Ende derselben bereits kurz bevorsteht.


Quellen und Anmerkungen:

(1) CRISPR/Cas9-Methode – eine biochemische Methode, um DNA gezielt zu schneiden und zu verändern.
(2) Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um’s Dasein. E. Schweizerbart’sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 231.
(3) Charles Darwin: Uber die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begunstigten Rassen im Kampfe um’s Dasein. E. Schweizerbart’sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 49.